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Held oder Verbrecher?

Tapsig näherte sich Jan der Tür. Dann klopfte er dreimal behäbig an die schwere Holztür. Niemand öffnete. Jan klopfte abermals. Dann schellte er. Die Tür blieb verschlossen. Hatte Maria ihn vergessen? Ihre Verabredung? Sonst war sie immer direkt zur Stelle, wenn sie sich verabredet hatten. Meistens öffnete sich die Tür bereits, ehe er klopfen konnte. Doch heute war alles dunkel. Nicht mal das kleine Licht in der Küche brannte, welches sie immer brennen lies, damit Einbrecher denken, dass jemand anwesend ist. War sie verhindert? Würde sie gleich wieder gekommen? Minuten verstrichen. Menschen streiften das Haus. Vögel flogen vorbei. Jan starte auf seine Uhr, spielte mit seinem Handy, beobachte die Passanten, schellte abermals. Doch Maria kam nicht. Bestimmt ist was vorgefallen, dachte er, denn so kannte er Maria nicht. Gewöhnlich rief sie ihn selbst an, wenn sie fünf Minuten verhindert war. Doch heute war sein Handy still. Er beschloss die Initiative zu ergreifen und wählte ihre Nummer, um zu erfahren, was los ist. Doch Maria antworte nicht, stattdessen ertönte ihre Mailbox. Jan war besorgt. War ihr wohl möglich etwas zugestoßen?

Er hielt inne und überlegte, was er tun sollte. Er hatte nur diese eine Nummer und ihre Freunde oder gar ihre Verwandten kannte er nicht. Er konnte nur war-ten. Warten, wie er es bereits zuvor fast eine Stunde getan hatte. Warten, dass Maria sich gleich meldet. Darauf hoffen, dass alles in Ordnung war. Oder sollte er die Polizei rufen? Die würden eh nichts tun, dachte er. Die würden ihn nur auslachen. Er musste ruhig bleiben. Wahrscheinlich hatte sie ihn einfach nur vergessen oder ihr ist etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Doch so oft er es sich auch einredete, dass alles in Ordnung war, er merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. War es alleine die Tatsache, dass das Haus ungewöhnlich dunkel schien, als vielmehr das Bellen eines Hundes, was ihm Angst machte. Er war hilflos. Was sollte er tun? Vielleicht ist ihr irgendetwas passiert? Vor Angst fest am Boden verwurzelt, versuchte er einen Blick durch die zahlreichen Fenster zu erhaschen. Doch alles war dunkel und er konnte nichts Näheres erblicken. Was sollte er tun? Er wusste es nicht. Das einzige was er wusste war, dass ihn niemand öffnete und Maria keinen Hund hatte. Auch würde Maria nie ein Fenster halb geöffnet lassen, wenn sie längere Zeit abwesend war. Es musste etwas passiert sein. Das war ihm klar. Er konnte nicht mehr warten. Vielleicht wurde sie überfallen, angegriffen, umgebracht? Die schlimmsten Vorstellungen überkamen ihm, als er eine Lösung suchte. Mehrmals lief er die Fassade entlang, um einen passenden Moment abzuwarten. Dann ging alles ganz schnell. Innerhalb weniger Augenblicke stand er in Marias Wohnzimmer und begann zu zweifeln. Hatte er das Richtig getan? Er war gerade in Marias Haus eingestiegen. Eingebrochen. Was hatte er getan? Jan griff an seine Stirn, zuckte mit den Schultern. Zum Glück besaß Maria keine Alarmanlage, sonst wäre er jetzt dran. War er das ohnehin nicht schon, wenn sie bemerken würde, dass er in ihr Haus eingebrochen war? Doch, wenn etwas passiert war, wäre er der Held. Verbrecher oder Held. Das war hier die Frage. Die Frage, auf die er keine Antwort wusste. Noch nicht.

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