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No One Night Kill 2

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Bernadette wusste nicht, was sie denken sollte. Sollte nun ein feuchtfröhlicher Abend folgen und würde sie schlimmstenfalls verkatert am nächsten Morgen aufwachen oder hatte nun ihre letzte Stunde begonnen? Ihr letzter Abend auf dieser Welt. Würde sie morgen gar nicht mehr aufwachen? Wäre sie morgen tot? Ermordet? Eiskalt? Je mehr ihre Gedanken ausfranzten und sich in alle Richtungen wendeten, umso gradliniger war ihr Gang. Fast automatisiert folgte sie Antonio und Raphael dem spärlich beleuchteten Gang ins Innere des Estab-lishments, so als wüsste sie genau, was sie tat. So als wenn sie hier schon einmal gewesen wäre. So als wenn sie Stammgast hier wäre. Das war sie jedoch nicht. Sie war hier noch nie gewesen. Wo war sie hier nur gelandet? In einer Wäscherei zumindest nicht. Der mit schwerem Holz verkleidete dunkle Gang, welcher leicht abfiel, erinnerte sie mehr an die Kneipe, in der letztens eine Razzia stattgefunden hatte. Die Kneipe, in der ihre Oma vor ein paar Jahren ihren 70. Jährigen gefeiert hatte und in der wenige Zeit darauf im Getränkekeller illegale Zuwanderer aus Kasachstan entdeckt worden waren. Danach musste der Lerchenkeller schließen und das Gebäude wurde seinem langsamen Verfall überlassen. Renoviert wurde auch hier schon länger nicht mehr, dachte sie. Das Licht, welches zu beiden Seiten den Weg säumte, flackerte leicht, so schien es ihr. Die Lampen müssten festgezurrt oder ausgetauscht werden. Die Holzverkleidung hatte ihre besten Zeiten auch schon hinter sich. Aber vielleicht wollte man so einfach unerwünschte Gäste abschrecken. Vielleicht waren auch einfach nur ihre Augen schuld, die langsamer als sonst blinzelten und mit ihren feuchten Händen Eingeweihten verdeutlichten, dass sie beileibe nicht routiniert und entspannt den Gang entlang schlenderte, sondern Angst hatte. Sich Gedanken darüber machte über das, was ihr bevorstand und ihr hinter der Tür blühen würde. Bernadette versuchte sich abermals zu beruhigen. Tief durchzuatmen. Sich ein-zureden, dass ihre Gedanken Amok laufen und ihr nichts passiert. Sie jetzt ein-fach nur etwas trinken und etwas Spaß haben würde. Das Schwert und auch der Gang einfach nur Dekoration wären. Ja, dass sie in Disneyland wäre und sie jetzt einen Rum in Captain Sparows Piratenhöhle trinken würde und alles um sie herum nur Requisiten wären. Gegenstände, welche den Leuten etwas Angst ein-jagen sollen. Nur Show. Nur Mittel, um eine authentische Stimmung zu erzielen. Nur Plastik. Doch Raphaels Messer war nicht aus biegbarem Plastik. Das Messer an Raphaels Hose war echt und aus glänzendem Metall. Sie zitterte erneut. Nach zwei Minuten, welche ihr endlos erschienen, erreichten sie die Tür zum Hauptraum, an der ein ca. 1,9 Meter großer recht stabiler Mann die drei kurz musterte und dann ins Scar durch winkte. „Nun, wir haben es geschafft. Das Scars. Mademoiselle. Kommen Sie herein. In die Bar der Freude und des guten Alkohols. Des Fun, Fun, Fun!“, grölte Antonio, der bemerkte, dass Bernadette angespannt und mit den Gedanken woanders war. Doch seine Bemühungen bewirkten nur oberflächlich eine Entspannung. Bernadette lachte zwar, aber viel mehr dachte sie an den Galgen, an dem sie heuer gehisst werden würde. Dem Galgen in der Piratenhöhle. Dann öffnete Antonio die schwarze behäbige Holztür und Bernadette war überrascht, was sich ihr zeigte.

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