Rote Fahrt #2
Vorherigen Teil lesenWie eine rieselnde Sanduhr entleere sich der volle Zug durch die Türen auf den Bahnsteig. Menschen, die an den Türen verklumpt waren, zerstreuten in alle Richtungen. Carolin musste einen großen Schritt machen, um den Abstand zwischen Zug und Bahnsteig zu überwinden. Dann befand sie sich in Düsseldorf. Der Landeshauptstadt. Carolin schaute besorgt auf ihre Uhr, dann auf die Uhr am Bahnsteig. Noch acht Minuten. Sie schnaufte durch. Es blieb noch genug Zeit für ein Brötchen mit Käse. Vielleicht ein Stück Salamipizza. Pizza. Bei dem Gedanken wurden alle ihre Sinne und auch ihr Magen geweckt, der gerade erst wieder eingeschlafen war. Knurrend zog er Carolin die Rolltreppen hinunter, da er Pizza gerochen hatte. Carolin wurde ungeduldig und angetrieben von ihrem knurrenden Magen immer schneller. Würde sie es noch schaffen, eh der Anschlusszug käme? Müsste sie hungrig weiter fahren? Die aufkommenden Fragen machten den Magen nur noch aggressiver und zogen sie weiter nach vorne. Gestoppt wurde sie nur noch von Leuten, die erstarrt nicht schnell genug zur Seite weichen konnten. Alle anderen wichen schon vorsorglich, um von ihr nicht um-gerissen zu werden. Die erlösende Pizza war in greifbarer Nähe. Nur noch wenige Meter trennten sie. Ein kurzer Moment. Sie japste. Erleichterung machte sich breit. Durchzog das ganze Gesicht. Verdrängte den Frust. Doch kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, geriet sie ins Straucheln. Wie ein Regentropfen im Wind stürzte sie zu Boden. Alles was vorher an ihr vorbei gerauscht war, stoppte und lief in Zeitlupe an ihr vorbei. Einige Passanten blieben stehen und lachten. „Alles Idioten. Verdammte Scheiße.“. Carolin schimpfte, während sie ihr aufgeschürftes Knie musterte und ihren blutenden Ellbogen mit einem Taschentuch festhielt. Ihre Tasche hatte zeitgleich eine Rolle rückwärts gemacht. Heute hatte sie auch nur Pech, dachte sie, dann ging ihr Blick erneut zur Uhr, dann zum Pizzastand, der mit rotweißen Fußballfans überlaufen war. Sie hatte nur noch ein paar Minuten, bevor ihr Zug einfahren würde und die Leute trödelten. Ein Mann im schwarzen Anzug mit Halbglatze kramte in seinem Portemonnaie nach dem passenden Geld für ein Wasser. Eine Frau versperrte wiederum mit einem Kinderwagen den Weg zum Tresen. Sie würde es nicht schaffen. Das war ihr klar. Carolin drehte sich um, um eine schnelle Alternative für ihren Hunger zu finden. Um ihren Magen zu besänftigen. Doch alle Stände waren voll oder zu weit weg. Sie müsste hungrig weiterfahren. Genervt nahm sie ihre Tasche und schlenderte die Treppe hinauf zurück zu den Gleisen, wo in drei Minuten ihr Zug eintreffen sollte.
Fortsetzung folgt
7. November 2013