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Sneak Preview

Die Luft war dampfend und perlend. Die Farbe der Wände tropfte herab und sammelte sich am Boden, der durch die dunkelblaue Farbe und den strömenden Schweiß der anwesenden Menschen fortwährend verfleckte und damit seine ursprüngliche rote Farbe verlor. Das Kino glich immer mehr einer finnischen Sauna, denn dem was es war. Mit jeder Minute stieg die Temperatur an. Mit jeder Minute kam mehr heiße Luft aus der Lüftungsanlage und blies den Zuschauern, welche müheselig im Dunst aus schummrigen Licht und tropischer Hitze ihren Platz suchten, ins Gesicht. Die Leute stöhnten. Manche Leute brachen auf den Weg zu ihrem Platz wie ein fallender Krieger zusammen, andere legten beinahe einen Striptease hin, um nicht an der Hitze zugrunde zu gehen. „Kann niemand mal die Klimaanlage anschalten?“ schallte es wahlweise von unten links, rechts Mitte oder der Terrasse in den Kinosaal. Die Leute konnten nicht mehr, doch niemand reagierte. „Die wollen bestimmt den Eisumsatz ankurbeln“ tuschelte Paul, während er sich an dem Strohhalm seiner Cola klammerte, um wenigstens etwas erfrischt zu werden. Dann ging das Licht komplett aus und der Vorhang lichtete sich. Die Werbung begann. Eiswerbung. Getränkewerbung. Werbung für eine Reise in die Türkei. Werbung für den neuen Weißen Hai in 3D. Werbung für Wasserpistolen. Werbung für Eis.

Dann fing der Film endlich an. Bernadette und Paul schauten gebannt zur Leinwand, während sich ihre Körper verflüssigten und im Meer der Wärme eins wurden. „Hoffe der Film wird wenigstens gut. Sonst krieg ich die Krätze“ raunte Paul während er seinen Arm um Bernadette legte und sie sich ganz nah anschmiegte. „Sonst haben wir uns ja noch, Schatz. Mit dir ist mir alles egal“ versuchte sie ihn zu beschwichtigen. Doch Paul ließ nicht locker. „Wenn der Film noch schlecht ist, will ich mein Geld zurück. Irgendwann reicht es. Letztes Mal stimmte was nicht mit der Anlage und der Ton knisterte. Heute das. Wir zahlen so viel Geld. Da erwarte ich etwas mehr Qualität.“ „Beruhig dich doch und genieß den Film. Den Abend. Wenn du jetzt lieb bist, kriegst du später noch eine Überraschung. Eine ganz tolle.“ Bernadette nahm seine Hand und streichelte sie ganz sanft. „Nun, komm schon oder muss ich dich erst küssen, damit du ruhig bist?“ Bernadette lachte, doch Paul verzog keine Miene, sondern klapperte weiter an dem wuchtigen Stoffsessel, der durch den Schweiß schon leicht aufgeweicht war. „Ich bin auf die Überraschung gespannt“ sagte Paul, als er sich zu Bernadette drehte und er sie dann zärtlich küsste. Die Gedanken beider geleiteten hinweg vom schwülstigen Kino hinfort in frische Höhen.

Die Minuten verstrichen wie Butter auf Brot. Der vorherige Ärger weichte auf und hinterließ nur ein sanftes Glücksgefühl. Erst als ein lauter Schrei und dann ein knallender Schuss durch den Saal ertönten, ließen beide wieder voneinander und richteten ihre Blicke wieder auf die Leinwand, auf der eine Frau gerade in ihrem Blut zu Boden sank. „Ich hab Angst.“ entgegnete Bernadette, die sich noch näher an Paul ankuschelte. „Ist doch nur ein Film. Du brauchst keine Angst haben.“ versuchte er sie zu beruhigen. Doch im selben Moment knallte Jennifers Freund in einem lärmenden Brei aus verzerrten Gitarren und einem Stroboskopgewitter auf seine Freundin. Bernadette zuckte in sich zusammen. „Nur ist gut.“

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