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No One Night Kill 14

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Die Toilette glich einem regelrechten Gruselkabinett. Die Gitter am schwarz getünchten Fenster versprühten den Hauch eines Verlieses, aus dem es kein Entrinnen gab. Vertrocknete Spuren an den Wänden zeugten von den vergeblichen Fluchtversuchen ehemaliger Gäste. Im fluoreszierenden Schwarzlicht konnte man die Hoffnungslosigkeit des Ortes förmlich in den Augen brennen sehen. Der Tod krabbelte über die Toilettenbrille, um dann im zuckenden Licht wieder in einem Loch zu verschwinden. Bernadette schauderte. Trotz ihrer steigenden gedanklichen Unschärfe war ihr Blick für einen Moment wieder vollkommen klar. Ihre Augen kippten zur Seite und musterten den Raum. Sie torkelte und ihre Beine zitterten, während sie einen Halt suchte, aber keinen fand. Sie war gewählt, ihre Notdurft zu verschieben, doch der Druck, der durch ihrem Körper strömte, war zu groß. Um die Angst zu lindern, sang sie leise ihr Lieblingslied. Sie begann um die Schüssel zipfelnd zu tanzen und dabei das alkoholhaltige Weihwasser zu versprühen. Nach einer Minute war das teuflische Schauspiel beendet und Bernadette sackte erleichtert auf das in der Wand eingelassene Waschbecken. Sie hatte den Dämon bezwungen, der sich beim Öffnen der Tür in ihrem Verstand versteckte. Die Seife perlte und überzog ihre Haut mit einem Schutzfilm. Bernadette atmete tief durch, um im selben Moment wieder die Luft anzuhalten. Die Brille klapperte, lachte fast schadenfroh. Sie drückte die Klinke hinunter und rettete sich in den Imbissraum.

Schnaufend suchte sie Raphaels Blick. Raphael lehnte sich an einen Hocker und spielte mit der Serviette, die er wie einen Flieger gefaltet hatte. „Da bist du ja wieder“, entgegnete er ihr und übergab ihr die Handtasche. „Danke fürs Aufpassen. Das Klo ist echt süffig. Ich meine, siffig. Ein richtiger Alptraum.“, raunte sie. „Das glaube ich dir. Und nun? Was machen wir jetzt?“ – „Ich brauch‘ etwas frische Luft. Mir ist ganz schön schwindelig gerade. Der Cocktail geht ganz schön in die Beine. Lass uns noch ‘was spazieren draußen. Da ist doch so ein kleiner Park. Du beschützt mich. Und dann mag ich Antworten“, erwiderte Bernadette, während sie ihre Tasche fast wie einen Airbag vor sich verschränkte und zur Tür stolperte. Raphaels Serviettenflieger setzte unterdessen zum Abheben an, um direkt unsanft wieder zu Boden zu fallen. Die Gäste nahmen keine Notiz von dem Unfall. Raphael öffnete die Tür und ging mit Bernadette nach draußen.

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