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No One Night Kill 15

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Der Bahnhofsplatz hatte sich entvölkert. Die Ameisen hatten sich entweder vor der zischenden Luft in die Züge geflüchtet oder sind nach Hause gewuselt. Nur einzelne Personen verharrten noch auf dem steinernen Pflaster als Relikte einer ehemals großen Kolonie Nachtschwärmer. Ein kalter Wind blies in Bernadettes Gesicht. Als sie sich schützend zu Raphael drehen wollte, verpasste ihr der Wind eine Ohrfeige und flüchtete dann mit den umher fliegenden Blättern in Richtung des kleinen Parks. Raphael steckte sein Handy wieder in die Hosentasche und deutete lachend zu dem Park. Bernadette gefiel der Gedanke. Sie nickte ihm zu. Gemeinsam schlenderten sie über den Platz. Die Laterne flackerte leicht im Wind. Abrupt verlor der Boden seine feste, steinerne Gestalt. Der Stein wich einer Mischung aus Kies und Matsch. Bernadette stampfte vorsichtig den Weg entlang. „Lass uns dort auf die Bank setzen“, säuselte sie, während Raphael über Bernadettes tappenden, fast wankenden Schritt feixte. Als sie die Bank fast erreicht hatten, drehte der Wind plötzlich wieder auf. Wie ein Taschendieb kam der Wind von der Seite angebraust und griff die Beiden an. Bernadette verlor ihren letzten Halt und stürzte kreischend in Raphaels Arme. Raphael drückte sie fest an sich, um sie zu beruhigen. Sein sanft schlagendes Herz strahlte ein Gefühl von Geborgenheit aus. Seine Wärme vermengte sich mit ihrem pulsierenden Blut. Sie genoss den Moment. „Alles gut? Hast du dich verletzt?“, fragte er sie, während Bernadette leicht zitterte. „Arschloch!“ – „Arschloch? Du meinst den Wind?“, entgegnete er. Bernadette nickte aufgebracht, dann löste sie sich wieder verschämt aus Raphaels Armen. Sie sackte kauernd auf die Bank. „Und nun zu dir! Jetzt möchte ich Antworten. Und keine Ausflüchte mehr. Antworten. Was soll das mit Antonio und dir? Antworte!“ forderte sie ihn harsch auf, dabei gestikulierte sie wild. „Warum hast du ein Messer? Willst du mich hier töten? Antworte. Ich werde schreien wenn.“ Die letzten Worte brüllte sie demonstrativ und energisch in die Luft. Raphael lachte, dann beugte er sich zu ihr hinunter. „Du willst Antworten?“ – „Ja! Will ich“, entgegnete sie. Ehe sie die Worte beenden konnte, waren seine und ihre Lippen verschmolzen. Bernadette durchfuhr wieder das Gefühl von Geborgenheit. Es verdrängte die Zweifel. Zweifel, die durch die Hitze aus ihren Poren entwichen. Dann war der Moment wieder verstrichen. „Deswegen!“, flüsterte Raphael und wandte sich von ihr ab.

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